Der Künstler, 1955 im tschechischen bzw. mährischen Brünn geboren, interessiert sich seit seiner Jugend für die Ursprünge kultureller Entwicklung. Er beschäftigt sich intensiv mit alten Texten wie die des Alten Testaments, mit Seneca, mit Lao-Tse.
Früh begonnen hat auch seine Auseinandersetzung mit der Musik des 20. Jahrhunderts, von der Aufgabe der Tonalität durch Arnold Schönberg bis hin zur Aufgabe des gesamten traditionellen Musik- und Werkbegriffs durch John Cage. Von der seriellen Musik über die Aleatorik bis hin zu amerikanischer Minimal Music.
Dem Studium der Kunst und Bohemistik folgte ein mehrjähriger Aufenthalt in Polen, wo er nicht nur künstlerisch, sondern auch an der Posener Universität sprachwissenschaftlich arbeitete, und über tschechisch-polnische Homonymie promovierte. Inzwischen lebt er seit vielen Jahren als frei schaffender Künstler in Deutschland, und seit gut einem Jahr profitieren auch Schüler von seinem umfangreichen Wissen und seiner künstlerischen Erfahrung.
Durch die ständige Präsenz mehrerer Sprachformen und die Beschäftigung mit ihren jeweiligen Strukturen und Bedeutungsschichten haben seine Zeichnungen zunehmend den Charakter von Aufzeichnungen angenommen.
Die graphische Notation visualisiert Chiffren einer gesehenen oder gedachten Gegebenheit, eines konkreten oder abstrakten Denkens. Zugleich ist der Prozess des Sehens als Lesen einbezogen.
Die Notation zielt auf die strukturelle Beschreibbarkeit zweidimensionaler Formen wie Bild, Text, Partitur, Zahl, die auch die Zeichnungen von Jiří Nečas bestimmen. Zwei Zyklen, Notturni I und II, die gemeinsam mit dem Künstlerkollegen Hans Delfosse zustande gekommen sind, sind nicht nur reine Zeichnungen, sie sind auch musizierbar.
Es werden Exemplare seiner Künstlerbücher präsentiert, u.a. Signatur des Raumes, Gedächnis der Annäherung, die sich die Fragen des Raumes und deren Definition stellen. Ein anschauliches Beispiel hierfür sind in dieser Ausstellung z. B. das 1. und 2. Buch der Primzahlen’. Die höchste einer fortlaufenden Aufreihung von Primzahlen am Ende einer Seite gibt die Anzahl der Striche vor, die auf der gegenüber liegenden Seite zu setzen ist. Je höher die Zahl, desto dichter die graphische Struktur, desto größer der benötigte Aufwand an Zeit – die, über Primzahlen meditierend? Sinnvoll oder sinnlos? - dem Konzept folgend verstreicht. Für den Betrachter ist das unwichtig. Er muß – wie jeder Leser und Betrachter - eine eigene Entscheidung treffen, wie er seine Zeit schauend bzw. nachzeichnend verbringt.
Immer wieder stellt Jiří Nečas Bezüge her zu Musikstücken. Zu den bevorzugten Komponisten gehören Janacek, ein gebürtiger Mähre wie er selbst, und zeitgenössische Komponisten wie John Cage oder Morton Feldman.
In seinen Büchern und Leporellos wiederum sind oftmals Zitate zu finden, von der röm.-antiken Literatur, - Seneca, Epikur, Horaz oder Herodot – bis hin zu Gedichten von Cummings, Ungaretti, Ekelöf .
Dass er die Zitate meistens in der Originalfassung und in deutscher Übersetzung wiedergibt, ist weniger Ausdruck eines literaturwissenschaftlich korrekten Umgangs. Vielmehr zeigt dieses Vorgehen auf, wie - von den Worten zweier Sprachen inspiriert -, im Sprachwissenschaftler eine Reihe von Synonymen hervorgerufen wird, aus der wiederum der Künstler Bildzeichen für die Worte hinter den Worten wählt und aufzeichnet.
Seine Zeichnungen lokalisieren einen Gedanken und seine Kausalitäten, sie breiten die Polysemie der Sprache in Zeichen aus, die sich der Eindeutigkeit widersetzen. Sie lassen sich als Notationen beschreiben, wenn auch in einem weiteren Sinn, da sie zwar auf sprachlich abgeleiteten, nicht aber auf standardisierten Sprachzeichen beruhen.
Die Ausstellung, die vom 06. - bis 27. Juni stattfindet, hat folgende Öffnungszeiten:
dienstags bis freitags von 16.00- 18.00 Uhr, sowie sonntags von 15.00- 18.00 Uhr.
Ausstellungs
ort ist das Alte Rathaus, Kirchstr. 2, 37627 Stadtoldendorf.
Der Künstler hat mit seinen Schülern eine Führung erarbeitet, die vertont wurde und den Besuchern auf Audioguides zur Verfügung gestellt wird.